Kritik an Plauens Kitas: Brauchen Kinder wieder mehr feste Regeln?
Manuela Müller
Die kommunalen Kitas lassen den Kindern zu viele Freiheiten, sagt der CDU-Fraktions-Vize. Die Plauener Christdemokraten fordern die Stadt jetzt auf, ihr Kita-Konzept zu prüfen. Grund seien Elternbeschwerden.
Plauen.
„Die Eltern bekommen durch das Konzept, das den Kindern weitgehend freie Hand lässt, immer mehr Erziehungsprobleme.“ Dieser Satz ist ein Zitat aus einer Pressemitteilung der Plauener CDU-Fraktion. Er stammt von Fraktions-Vize Tobias Kämpf und kritisiert die Erziehung in den kommunalen Kindertagesstätten. Das sind die Kitas, die die Stadt selbst betreibt.
Laut Kämpf arbeiten die Erzieher dort nach einem offenen pädagogischen Konzept. Offen bedeute unter anderem offene Gruppen. Ziel sei es, den Kindern ihr persönliches Entwicklungstempo zu ermöglichen. Das Konzept wird jedoch immer wieder von Eltern kritisiert, sagt Kämpf. Auch Grundschullehrer hätten sich bereits bei den CDU-Ratsmitgliedern beschwert. Sie beklagen eine immer schlechtere Vorbereitung vieler Abc-Schützen auf die Schule in den Kitas sowie mangelnde kognitive Fähigkeiten, heißt es in der CDU-Pressemitteilung.
Die Fraktion hat einen Prüfantrag dazu in der Stadtverwaltung eingereicht. Sie will herausfinden, auf welcher Basis das Konzept den Kindergärten und Schulhorten verordnet worden sei. Erörtert werden sollen auch die Vor- und Nachteile. Kämpf zufolge hat die Kritik am Konzept zugenommen: „Die Kritiker sagen, dass die Kinder in den Tagesstätten sich teilweise selbst überlassen werden.“
In einigen Häusern könnten die Mädchen und Jungen frei entscheiden, wann sie essen möchten. Auch das stoße nicht bei allen Eltern auf Begeisterung. „Die Kinder sind es gewohnt, nur nach ihrem eigenen Willen zu leben. Hier wird das elterliche Wertekonzept konterkariert“, sagt Kämpf. Er ist selbst Vater und lässt seine Kinder in der Kita eines freien Trägers betreuen. Denn die meisten dieser freien Träger würden das offene Konzept nicht umsetzen.
Carmen Berger-Keilhack, die im Rathaus für die städtischen Kindertagesstätten verantwortlich ist, kontert: „Es gibt auch in unseren Einrichtungen definierte Grenzen, Regeln und Strukturen.“ Das Konzept selbst sei eine Haltungsfrage und vor acht Jahren auf Grundlage des sächsischen Bildungsplans erarbeitet worden. „Das Konzept der offenen Arbeit hat keine festgelegte Definition“, sagt sie.
Schon vor fünf Jahren hatte Tobias Kämpf seine Kritik im Sozialausschuss vorgetragen. Aber die war schnell verpufft. Jetzt hat seine Fraktion die Kritik in Form gegossen und ins Rathaus geschickt. Jörg Schmidt, Vorsitzender der Stadt-CDU, fordert sogar, die Erzieher-Ausbildung zu überdenken – „falls das offene Konzept als wissenschaftlicher Standard gelehrt wird“. Sollte sich zeigen, dass das Konzept laut Bildungsplan nicht zwingend sei, wolle man erreichen, dass es in Plauen nicht mehr umgesetzt wird.
Als der CDU-Stadtverband diese Forderung vor wenigen Tagen auf seine Facebook-Seite gestellt hatte, stieß er in ein Wespennest. Auf der sonst mäßig lebhaften Seite ist eine Diskussion entstanden, die Blasen zieht in Plauen. Die Geister streiten sich. „Wenn es keine Regeln gäbe, wäre jede Erzieherin schon am Montag fertig mit den Nerven“, kommentiert eine Nutzerin. Und die nächste: „Eltern wollen immer alles und meckern trotzdem.“
Laut Kämpf spielt das offene pädagogische Konzept bis in die Schulhorte hinein. Die Hausaufgabenbetreuung fehle. „Der Frust unter den Eltern ist groß. Wir müssen den Vorwürfen gezielt nachgehen“, sagt der Vize-Chef des CDU-Stadtverbandes. Er will jetzt Eltern-Meinungen sammeln und über Verbesserungsbedarf reden. Im Moment sei das Papier wie eine Blackbox.
Quelle: Freie Presse 12.11.2019