Zur Frage, ob es in Elsterberg in den 1930er Jahren ein Pogrom gab
Guten morgen, Herr Höfer,
wie be- und versprochen hier das Ergebnis meines Nachsehens, ob es in Elsterberg in den 1930er
Jahren Juden gab, was ja die Voraussetzung für ein Progrom im November 1938 gewesen wäre.
In der Datenbank zur Volkszählung vom 17.05.1939 werden nur 6 datensätze mit ‚elsterberg’=
Geburtsort oder Wohnort aufgeführt:
3 in Elsterberg geborene Nichtjuden, die in Prenzlauer Berg, Zwickau oder Görlitz wohnten und erfasst
wurden, weil sie im haus oder Haushalt mit jemandem wohnten, der nach Nazi-definition
jüdisch war (ein, zwei oder 3-4 jüdische Grosseltern hatte) +
3 in hof geborne Liebenthals in Elsterberg, in der Gartenstr. 22 wohnend.
Bei den Liebenthals handelte es sich um einen Sohn von Chaim Liebenthal und seiner nichtjüdischen
Ehefrau, d.h. für die Nazis war Otto Liebenthal „Halbjude“. Er war verheiratet mit einer Nichtjüdin,
somit war deren Tochter für die Nazis eine „Vierteljüdin“.
Volkszählung vom 17.05.1939: Liebenthal, Otto, * 30.08.1886 in Hof, Meldeadresse im Mai 1939:
Elsterberg, Gartenstraße 22, Abst. 2|JJNN (VZ365698, Beleg: 1) + Liebenthal, Elisabeth, geb.
Griesbach, * 08.09.1891 in Hof, Abst. 0/NNNN (VZ3656991) + Tochter Christa, * 29.10.1921 in
Hof, Abst. 1|JNNN, Abschluss an Höhere Handelsschule Plauen (VZ365700);
Aus einer Auswertung von Einwohnermeldedaten im Stadtarchiv Hof/Saale durch Friedrich-Wössner,
Sigrid, JÜD. BEVÖLKERUNG VON HOF:
Otto Liebenthal, Elektrotechniker, Sohn von Chaim Heinrich L., in Hof gemeldet: 15.3.1920–
2.1.1923, dann Wegzug nach Erfurt, seine Ehefrau Elisabeth geb. Grießbach hingegen mit Tochter
zum 1.3.1925 n. Elsterburg/Th. (S. 21, 42); –
Letzteres dürfte sicherlich Elsterberg/Sachsen heissen.
Eine neuere Website »Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum«,
www.jüdische-gemeinden.de, führt zu Elsterberg gar nichts auf, also auch nicht zu welcher Gemeinde
etwaige jüdische Elsterberger gehört haben.

Von: Genealogie-Publikationen-Transkriptionen historische Recherchen

DR. EKKEHARD HÜBSCHMANN
GEFREES
GERMANY

Paul Beierlein Chronik der Stadt Elsterberg Band III Anhang

Über die »Juden im mittelalterlichen Elsterberg« habe ich auf Grund von HStA Dresden Loc. 12 447, Versch. Oberhofgerichtsprozesse betr., im Vogtl. Anzeiger 1931 Nr. 130 berichtet.

Dort heißt es:

 

Die Anwesenheit und Ortsansässigkeit von Juden im mittelalterlichen Elsterberg geht hervor aus einem Prozesse, den in den Jahren 1536 bis 1538 die Stadt Elsterberg gegen Günther von Bünau im Frankenhofe führte, dem Rittersitze unterhalb des Schlosses innerhalb der Ringmauer.

Im Frankenhofe wurde seit etwa 1500 Wein ausgeschenkt, der aus der Jenaer Gegend stammte, wo die Herren von Bünau neben anderem Grundeigentum auch Weinberge besaßen. Dieser Weinschank verstieß gegen die städtischen Privilegien, nach denen innerhalb der Stadt Elsterberg nur im Ratskeller Wein verkauft werden durfte. Demzufolge verwahrte sich der Elsterberger Rat gegen die Eingriffe in seine Gerechtsame und verbot den Bürgern, im Frankenhofe einzukehren oder Wein holen zu lassen. Er vermochte jedoch nichts gegen die Dorfbewohner auszurichten, die im Frankenhof billigen Wein tranken, weil sie nicht der städtischen, sondern der herrschaftlichen Gerichtsbarkeit unterstanden. Da das städtische Verbot, den Frankenhof zu besuchen, im Geheimen oft übertreten wurde und die Besucher-zahl des Ratskellers, vor allem von ländlicher Seite immer mehr nachließ suchte die Stadt Elsterberg auf dem Wege der Klage ihr Recht.

 

Es kann selbstredend hier an dieser Stelle nicht auf der ganzen Verlauf des Prozesses gegen Günther von Bünau eingegangen werden. Es soll vielmehr nur das angeführt werden was für unsere Zwecke von Belang ist.

 

Die Stadt Elsterberg legte großen Wert darauf, feststellen zu lassen, seit wann der Franken-hof bestehe und ob er immer ein Rittersitz gewesen sei. Während darüber einige Zeugen nichts oder nur Unbedeutendes auszusagen wußten, betonte der Pfarrer Heinrich von Bünau als gebürtiger Elsterberger, der Frankenhof habe ursprünglich bei den Stadtleuten »der alten frauwen hoff geheißen und sei ein, freier sicz«. Ein Elsterberger Bürger namens Eckhart bestätigte diese Aussage, indem er angab, dass »dy alte frau von Bühnau … ettwann von schlos herab in diesen Hof geczogen« sei. Diese Aussagen finden eine urkundliche Stütze in einem bünauischen Lehnbrief vom 17. Dezember 1496. Darin empfängt Frau Margarete von Bünau die Lehen über einen Witwensitz oder, wie es wörtlich heißt, über »ein frei behaußunge zunegst bei der pfarre«. Da die Herren von Bünau aber erst seit 1429 in Elsterberg ansässig waren, so erhalten wir durch die an-geführten Zeugen keine Auskunft darüber, ob der Frankenhof schon vor ihrer (der von Bünau) Zeit bestanden und welche Bewandtnis es überhaupt mit ihm habe. Darüber führen nun andere Zeugen folgende bemerkenswerte Tatsachen an:

 

Georg Friedrich, 58 Jahre alt, Bürger von Elsterberg: »Daß der Franckenhoff ein freier hoff und ein rittersitzs sei …, sagtt er, dass er nichtts grundttlichs darumb wisse, aber von Ern Gunther [von Bünau] dem ritter und sunsten auch, hab er gehoret, daß ein altter man Caspor Moßner zu Elsterbergk gesagett, daß er gedencke, das ettwan des ortts, do itzundt der Franckenhoff, judenheußer gestanden, als dy juden von Elsterberg weg ver-trieben wurden«.

 

George Tietzell, 50 Jahre alt, Bürger von Elsterberg: »Daß der Franckenhoff ein freier hoff und ein rittersitzs sei …, sagtt er, daß er es nicht wisse, daß [er] ein rittesiczs sey, dan er gehortt, daß der Caspar Moßner zcu Elsterbergk vor dem ritter [von Bünau] gesagett, daß er gedechtte, daß etwann des ortts judenheusser gewehst, welche dy von Buhna abgerissen, hätten irer mutter einen siczs dohin gebauett«.

 

Heinrich Tzschoncker, 60 Jahre alt, Bürger und Ratsfreund von Elsterberg: »Daß der Franckenhoff ein freier hoff und ein rittersitzs sein soll, do wies er keinen rechtten freundtt von, woll hab er von altten gehoret, daß ettwan juden des ortts gewohntt, wy es aber Ern Günthers vorfahren befreiett und zcu rittersiczs gemachtt, wies er nichtts von«.

 

Mattes Knorr, 45 Jahre alt, Bürger von Elsterberg: »Daß der Franckenhoff ein freier hoff und rittersiczs, sagtt er, das er nicht wisse, wy es dorumb gelegen, dan er habe vom aldten Moß[ner] Caspar zcu Elsterbergk gehorett, das etwan judenheußer des ortts gewehst«.

 

Heinz Tischer, 80 Jahre alt, Bürger von Elsterberg: »Daß der Franckenhoff ein freier hoff und rittersicz sey, sagtt der gezeuge, daß er es nichtt gewißlich wisse, dann er habe, von eim aldten burger zu Elsterbergk, welcher noch lebtt, gehorett, daß er gedencke, daß juden des ortts gewohntt«.

 

Die Ausführungen dieser Elsterberger Einwohner müssen so überzeugend gewesen sein, dass man darauf verzichtete, den von Heinz Tischer erwähnten Bürger, »welcher noch lebtt«, zu verhören. Auch machte der bünauische Anwalt gar nicht den Versuch, die Aussagen der Bürger zu widerlegen. Er fürchtete aber für den guten Ruf des Frankenhofes. Deshalb be-merkte er in seiner Verteidigungsschrift, dass zwar viele Zeugen bekundet hätten, dass der Frankenhof »etwan der Juden wohnung gewest« sei, dass der Rittersitz aber darum »die alte natur nymer haben« müsse. Und zum Beweise dafür führte er später aus: »…Der Franckenhoff sey ethwan ein judenhauß gewest…, weiß doch anwaldt wol ein groß steinern hauß zu Regensburgk, deßgleichen auch zu Leyptzig zu nennen, do ethwan zur zeit vil alte juden innen gewonnt und fitzt dorin fromme gelerte whonen …«

 

Auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme in dem Prozess der Stadt Elsterberg gegen Günther von Bünau im Frankenhof kann also nicht daran gezweifelt werden, dass dieser kleine vogtländische Ort einst im Besitz eines Judenviertels, allerdings geringen Umfanges, gewesen ist. Wir haben dafür aber auch noch andere Beweise. In der Urkunde vom Jahre 1327, in der Burkhard und Hermann von Lobdeburg-Elsterberg dem Elsterberger Pfarrer das ganze Dorf Pfaffengrün (bei Limbach) übereignen, erscheint als letzter von sieben Zeugen ein Isaac Jüde. Wenn bei ihm wie auch bei fünf anderen Zeugen die Ortsangabe fehlt, so kann er dem Inhalt der Urkunde nach nur in Elsterberg gewohnt haben. Die Mitwirkung dieses Elsterberger Juden bei Ausstellung der Stiftungsurkunde machte sich nötig, weil die Stiftung selbst nur mittels großer Gelder ins Leben gerufen werden konnte, die die Gebrüder Lobdeburg wohl zum größeren Teile von Isaac Jüde erborgt hatten.

 

Auch die Tatsache, dass Elsterberg Münzstätte war — als solche ist es 1401 urkundlich be-zeugt — machte die Anwesenheit von Juden in Elsterberg mindestens sehr wahrscheinlich.

 

Die Frage: Wann sind die Juden aus Elsterberg vertrieben worden? lässt sich leicht beantworten.

 

Es ist bekannt, dass im Jahre 1411 alle Juden auf Befehl des Landgrafen Friedrich ihres Besitzes und Vermögens in ganz Meißen und Thüringen beraubt wurden. Schloss und Stadt Elsterberg gehörten aber damals dem genannten Landgrafen Friedrich persönlich. Man wird also in Elsterberg seinem Befehl im besonderen Maße nachgekommen sein. Die verlassenen und wohl fast ganz zerstörten Judenhäuser Elsterbergs fielen an den Landgrafen, der den Grund und Boden an Erhart von Netzschkau weiter veräußerte. Dieser erbaute sich dort-hin, wo die Judenhäuser standen, einen Hof, den späteren Frankenhof. Dieser Hof des Erhart von Netzschkau, »bei dem Pfarrhofe in der Stadt gelegen«, wird am 9. Mai 1415 das erste-mal urkundlich erwähnt.

 

Um Irrtümer zu vermeiden, möchte ich betonen, dass dieser Hof mit dem der Frau Agnes, der Witwe des letzten Lobdeburgers, die damals noch lebte, nicht gleichzusetzen ist.«

 

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