Steinbach – Stentsch in der Neumarck

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Der Beitrag „Heimatliches von Stentsch“ wurde gelöscht, da die Erben des Chronisten G. R. Einwende zur Veröffentlichung erhoben haben.

 

28.Januar 1945- 73 Jahrestag der Flucht meiner Mutter vor den Russen

Heute vor 73 Jahren ist meine nun schon 88 Jahre alte Mutter aus ihrer Heimat Stentsch in der Neumarck vor der herannahenden Front geflohen. Sie wurde früh von meiner Großmutter geweckt, um den letzten Zug aus dem Osten kommend zu erreichen. Der Zug war völlig überfüllt und sogar auf den Wagondächern befanden sich Flüchtlinge. Mutter saß auf dem Koffer im Gang, den Rucksack auf dem Rücken und die Tasche fest im Arm. Angezogen war sie mit 14 Jahren wie eine alte Frau mit Schnürschuhen ihres Vaters und mehreren Jacken, denn es war bitter kalt.

 In Berlin angekommen wollte sie zu ihrer Tante Ida nach Wilmersdorf. Das Haus stand aber nicht mehr. Vom Bäcker, bei dem die Familie eingekauft hatte, erfuhr sie den neuen Aufenthaltsort. Dort gab es keinen Platz und auch keine Verlegung, also ging die Reise weiter nach Leipzig und von dort nach Oppurg in Thüringen. Dort hatte der alte Gutverwalter aus Stentsch schon Notquartiere für Flüchtlinge aus der alten Heimat aufgeschlagen.

Nach der Kapitulation der Wehrmacht oder der Befreiung, wie es die Kommunisten definierten, machte sich meine Mutter auf den Weg, ihre Mutter zu suchen. In Berlin bei ihrer Schwester Ida konnte sie nicht bleiben, da es nur Essensmarken für Berliner gab. Sie erhielten die Information von anderen Vertriebenen, sie wären weiter nach Neuruppin gezogen. Abends in Neuruppin angekommen wurde sie von eine wildfremden  Frau von der Straße geholt, da die von Russen besetzte Stadt eine Ausgangssperre hatte und mit Übergriffen zu rechnen sei. Der Bürgermeister der Stadt verwies sie auf die umliegenden Dörfer. Nun lief sie diese per Fuß alle ab, bis sie Ihre Mutter mit Emma der Haushaltshilfe, die schon fest zur Familie gehörte und weiteren Vertriebenen auf einem fürchterlich aussehenden Bodenverschlag. Meine 15jährige Mutter, froh ihre Mutter gefunden zu haben, Konnte meine Großmutter und Emma nicht bewegen die Behausung in der Nähe von Neuruppin zu verlassen. Erst mit dem Versprechen, in Oppurg eine Wohnung oder ein Zimmer zu suchen, veranlasste die Drei ins Thüringische zu ziehen. Zu dieser Zeit war der Vater meiner Mutter in russischer Gefangenschaft. Meine Großmutter hat bis zu ihrem Tot 1978 nichts vom Verbleib ihres Mannes erfahren. Erst  nach der Wende habe ich als Enkel  den schriftlichen Verbleib mit dem Todesdatum 1947 in russischer Gefangenschaft erforscht. Bevor sie in der Landwirtschaft angefangen hatte war sie über ein Jahr als Haushaltshilfe beim Landarzt Dr. Fischer, mit dem sie bis zum Tode der Familie eine gute Freundschaft pflegte. Später ging Dr. Fischer nach Markneukirchen und anschließend nach Schöneck, wo er bis zu seinem Tod  praktizierte.

Großmutter ist dann im Verlaufe der Zeit zu ihren Sohn an den Bodensee gezogen und Mutter hat in Oppurg im Bauernhof Papst meinen Vater kennengelernt. Sie haben 1950 geheiratet und erst nach reiflicher Überlegung wurde ich 5 Jahre später geboren. Die Geburt war so schwer, dass Mutter nicht noch ein 2. Kind sich antun wollte.

Fazit: Meine Mutter ist 88 Jahre und geistig noch top fit (ihre IBAN kennt sie noch auswendig) nur körperlich gibt es Probleme. Um das Gewesene zu erhalten sollten wir so viel wie möglich dokumentieren, um der Nachwelt geschichtliches zu übermitteln.

 

Fortsetzung der Flucht meiner Mutter und das Kennenlernen meines Vaters

Nach der Flucht aus Stentsch zog es meine Mutter mit ihren Cousinen zu den gemeinsamen Cousin nach Oppurg. Benno Schrobsdorff war erst in Strentsch Inspektor auf dem Gut der Von Kalkreuths und wurde in den 30siger Jahren als Oberinspektor beim Fürst von Hohenlohe in Oppurg eingesetzt. Die Schrobsdorffs hatten schon zu Kriegsende Vorsorge getroffen, Flüchtlinge aus ihrer Heimat aufzunehmen.

Beim Einzug der Russen wurde der Cousin Benno verhaftet und tauchte nicht mehr auf. Seine Frau mit ihren 3 Söhnen kam beim Bauer Papst unter. Mutter mit ihren Cousinen kam in einem Ausgedinge Haus unter. Zur Arbeit musste Mutter beim Russen in der Küche helfen.  Mit 16 Jahren, alter zu großer Kleidung, langen Zöpfen  und sehr ruhig hat sie abgewaschen, die Tische abgeräumt und Kartoffeln geschält. Die von den Besatzern auf den Tisch gespukten Gräten und Knochen hat sie zusammengeputzt. Meine Mutter wurde von ihren Dienstherren noch als Kind angesehen, die sie nur immer aufgefordert haben zu essen. Ein Vergleich zu heute 16 jährigen ist meilenweit entfernt.

1956 hat Mutter meine Großmutter aus Neuruppin zu sich geholt.

Was mich nun interessiert, ist wie hat sie meinen Vater auf diesem Dorf kennengelernt. Es ist der Grundstein meiner Existenz.

Nach einem Jahr als Hausmädchen bei Dr. Fischer wurde im Bauernhof Papst eine Stelle frei. Ihre Cousine Linda zog zu ihrem Freund Walter und Mutter füllte diese Lücke aus. Der Bauer hat beide Söhne im Krieg verloren und so wird Mutter wie eine Tochter aufgenommen. Es gab reichlich zu Essen, Kleidung, Unterkunft und monatlich 20 Mark. Hier hat meine Mutter meinen Vater kennengelernt:

Vater war schon 1 Jahr vor meiner Mutter beim Bauern. Die Beziehung entwickelte sich erst allmählich. Vater war der Hecht im Karpfenteich als Fremder, sportlich und gutaussehend. Er war bei alle Bauermädels bekannt und Mutter saß auf den Tanzböden wie ein Mauerblümchen und immer in dem selben Kleid auf ihrem Schemel. Zu dieser Zeit organisierte Vater auch die Fahrten zu den Veranstaltungen auf den benachbarten Dörfern mit dem Lanz Traktor, auf dessen Hänger Stroh mit der illustren Jugend lag, darunter auch Mutter. Die Beziehung fing an, als Vater meine Mutter vor dem Gehänsel von Benno M. verteidigte. Das Tragen eines viel zu großen Korsetts musste den Büstenhalter ersetzen. Die Not machte erfinderisch. Den Luxus zum Friseur zu gehen, konnte man nur im benachbarten Pößneck nachkommen.

Trotzdem hatte sie es besser als nach ihrer Heirat mit meinem Vater in Elsterberg.    

In Elsterberg gab es in einer großen Fabrikantenwohnung nur einen Raum, der beheizt wurde und so saß man abends gemeinsam zusammen. Das Regiment führte meine Großmutter, eine Tochter des Unternehmens Heinrich Schubert. Ihr Mann Paul war gesundheitlich sehr geschwächt, mit 50 Jahren aus russischer Gefangenschaft zurückgekommen. Mutter und Vater sollten arbeiten und das Geld zu Hause abgeben und Großmutter wollte den Haushalt führen, das machte meine Mutter nicht mit. Sie wollte ein eigenes Leben mit Vater haben. So klammerte Großmutter sich an den in Elsterberg verbliebenen Sohn. Der Erstgeborene kam aus der Gefangenschaft  nicht mehr in seine Heimat zurück, da er als ehemaliger Fähnlein Führer vor den Russen Angst hatte

So wurde nach einer langsamen Zuneigung –Liebe und zu Ostern 1950 verlobten sich Beide. So hat sich mein Vater gegen die reichen Bauertöchter entschieden. Die Hochzeit im September 1950 wurde vom Bauern für meine Eltern ausgerichtet. Vater musste nur die Getränke besorgen. Es war eine sogenannte Dorfhochzeit mit vielen Gästen. Das Ereignis wurde von dem befreundeten Pressefotograph Treblegar aus Leipzig dokumentiert.

 

Die Großmutter mütterlicherseits ist in Oppurg zurückgeblieben und später bei Mutters Bruder am Bodensee geblieben.

 

 

 

 

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